Machen wir uns nichts vor: Die Grüne Gentechnik ist in Deutschland gesellschaftlich und politisch ziemlich erledigt. „Keine Gentechnik“ ist anscheinend Konsens. Wozu denn noch transGEN?
Als wir 1997 – damals noch unter dem Dach der Verbraucher Initiative – damit begannen, eine Internetplattform zu „Gentechnik bei Lebensmitteln“ aufzubauen, war die Grundidee einfach: Transparenz und Sachinformation. Damals wurden in Brüssel gerade halbherzig die ersten Kennzeichnungsvorschriften auf den Weg gebracht. In den USA gab es die Anti-Matsch-Tomate und in Hamburg und Rotterdam liefen – schon begleitet von Greenpeace-Schlauchbooten – Frachter ein, die erstmals auch gentechnisch veränderte Sojabohnen nach Europa brachten.
Es war abzusehen, dass es eine diffuse Gentechnik-Präsenz im Lebensmittelsortiment geben würde: Von Margarine bis Schokolade (Sojarohstoffe!) und vor allem bei den allgegenwärtigen Zusatzstoffen, Vitaminen und Enzymen. Das, so hieß es damals vollmundig, waren nur die Vorboten einer umfassenden technologischen Innovation, die viele Bereiche der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft – und damit der täglichen Nahrung – erfassen sollte.
Schon da war die später massiv aufbrechende Verunsicherung der Verbraucher zu spüren. Daraus würde, dachten wir, eine wachsende Nachfrage nach Information entstehen, nicht nur danach, in welchen Produkten „Gentechnik drin“ ist, sondern auch wozu das gemacht wird, oder welche Risiken und Folgen damit verbunden sein könnten. Der „informierte Verbraucher“, so nicht nur unser Leitbild damals, brauchte eben verlässliche, verständliche und fundierte Informationen, damit er eine „informierte Entscheidung“ treffen konnte. Bei transGEN sollte er genau das finden können.
Diese Grundidee – Sachinformationen anstelle von fertiger Meinung – gleich ob pro oder contra Gentechnik – fand damals Unterstützung über die heute so scharf gesteckten Lagergrenzen hinweg. Die Entwicklung der ersten transGEN-Version finanzierte das damals von der grünen Bärbel Höhn geleitete Umweltministerium in NRW, später ermöglichte das Umweltbundesamt den Aufbau einer Datenbank mit Studienergebnissen zum Anbau von gv-Pflanzen, das FiBL (Forschungsinstitut für biologischen Landbau) übernahm die transGEN-Datenbank für die Schweiz. Auch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), die sich um das schwindende Verbrauchervertrauen in die Produkte der Lebensmittelindustrie sorgte, und der BLL – Dachverband der Lebensmittelwirtschaft – beteiligten sich an der Finanzierung von transGEN. In den ersten Jahren gab es sogar Selbstauskünfte zahlreicher großer und kleiner Unternehmen darüber, in welchen ihrer Produkte Gentechnik beteiligt gewesen sein könnte. Oder auch darüber, was sie schon damals taten, um potenziell GVO-verdächtige Zutaten oder Beimischungen zu vermeiden.
Das Konzept kam an: transGEN entwickelte sich zu einer gut besuchten Seite, die wegen ihrer soliden, verlässlichen Informationen geschätzt und genutzt wurde. Doch mit der Zeit wurde die Luft dünner. Gentechnik war nicht länger ein neues, interessantes Thema, über das man sich erst einmal informieren wollte, sondern man hatte dazu inzwischen eine Meinung – und meist keine positive. Gentechnik war nicht mehr nur ein kontroverses Sachthema, es wurde ein Symbol für alles, was die Konsumenten zumindest bei ihren Lebensmitteln nicht haben wollten: Technisierung, Rationalisierung, Globalisierung, große internationale Konzerne. Das „Nein zur Gentechnik“ war in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Wer grundsätzlich und aus ganzem Herzen gegen Gentechnik ist, will dafür Bestätigung. Was aber nicht in das eigene fertige Meinungsbild passt, steht unter Verdacht, bloß interessengeleitet zu sein. Die „neutrale“ Sachinformation wird dann wahrgenommen als Information im Dienste der Agrarlobby.
Diesen Wandel bekamen wir auch bei transGEN zu spüren. Die vormals breite Unterstützung zerbröselte. An eine öffentliche Finanzierung – etwa durch Zuschüsse aus Bundes- und Landesministerien – ist seit Jahren nicht mehr zu denken. Zwangsläufig verschob sich damit das Unterstützer-Spektrum und die Industrie bekam ein Übergewicht. Das mündet in den Vorwurf, transGEN sei nicht unabhängig, sondern werde von „den Konzernen“ bezahlt. Auf die Dauer leidet darunter unsere Glaubwürdigkeit, auch wenn wir immer wieder auf unsere redaktionellen Leitlinien verweisen, auf die Sorgfalt, mit wer wir recherchieren und Informationen überprüfen.
Unser Thema - „Gentechnik bei Lebensmitteln“ – hat sich anders entwickelt als vor 15 Jahren erwartet. Vorerst wird es keine gv-Lebensmittel im Supermarkt um die Ecke geben – oder genauer: keine, die gekennzeichnet sind -, und auch die deutschen Landwirte werden erst einmal keine gv-Pflanzen auf ihren Felder ausbringen. Forschungsprojekte gibt es zwar, aber nur in den „geschlossenen Systemem“ von Labor und Gewächshaus.
Deutschland sieht sich als „gentechnik-freie“ Zone, aber deswegen hat sich transGEN noch lange nicht erübrigt. Es wäre fatal, wenn Gentechnik vollends zum Tabu würde – und im Sog des Zeitgeistes einige andere molekularbiologischen Verfahren in Pflanzenzüchtung und Lebensmitteltechnologie gleich mit. Wir wollen mit transGEN dazu beitragen, dass die Grüne Gentechnik im Gespräch bleibt, durchaus kontrovers, aber offen, problemorientiert und ohne moralisches Naserümpfen. Differenzierte, wissenschaftsbasierte Sachinformation ist dabei nötiger denn je.
Und, so schwierig das Umfeld auch manchmal ist: Entgegen dem seit Jahren abnehmenden Informationsinteresse an „Gentechnik“ (vgl. Diagramme unten) hat sich transgen.de gut behauptet. Noch immer liegt die Plattform an der Spitze der deutschsprachigen Seiten zum Thema. Glücklicherweise zählt immer noch weniger die Gesinnung als die Qualität und der Nutzen der angebotenen Informationen.
Vor drei Jahren haben wir einen als gemeinnützig anerkannten Förderverein gegründet. Die Idee: Der Verein erhält Spenden, kleine, vielleicht auch die ein oder andere größere, und kann so dazu beitragen, transGEN aus der finanziellen und Glaubwürdigkeitsklemme zu befreien. Bisher ist das ansatzweise gelungen. Es wäre einfach schön – und auch so etwas wie Bestätigung für uns -, wenn transGEN von möglichst vielen Personen, Medien, Verbänden, Unternehmen und Institutionen getragen werden würde, die das Projekt schätzen oder sein Informationsangebot auf die ein oder andere Weise nutzen.

Relative Häufigkeit des Suchbegriffs “Gentechnik” bei Google, 2004-2013 (google trends)

Besuche auf transgen.de; 2004-2013 (Visits / Monat)